Der große Irrtum der Richtsatzsammlung in der Gastronomie
Dem fiskal-gesetzlich definierten "Normalbetrieb" liegen falsche Annahmen zugrunde
Buchhaltung geht sicherer und günstiger
Die meisten Gastronomen sind keine Helden der Buchhaltung. Während sich selbst kleine Handwerksbetriebe zumindest stundenweise eine Buchhaltungskraft gönnen, bringen die Gastwirte ihre Belege immer noch als lose Blattwerksammlung in Kartons oder Wäschekörben zum Steuerberater. Dessen Kosten für Sortierarbeit und Zuordnung der Belege zu Geschäftsvorfällen übersteigen die Kosten für eine buchhalterische Aushilfskraft um ein Vielfaches. Der weitaus größere Schaden entsteht jedoch, wenn sich der Gastronom auf sein Steuerbüro verläßt, das trotz aufwändiger Versuche, das vergangene betriebliche Geschehen in Buchungssätze zu übersetzen. Gehen die Summen- und Saldenlisten auf und sind die Konten plausibel ausgeglichen, erkennt jeder Finanzprüfer an der Höhe der Position „Sonstige Kosten“ in Relation zu den Gesamtkosten, daß die Ergebnisrechnung eher mit viel Kaffeesatzleserei als mit tatsächlichem Vermögensvergleich entstanden ist.
Die Betriebsprüfung naht
Was der Betriebsprüfer als offensichtlich konkludent zusammengeflickt aufspürt, darf er in Frage stellen und auf Basis der Richtsatzsammlung für Normalbetriebe schätzen. Falls den aus der Schätzung hervorgehenden Steuerbescheiden widersprochen wird, hat das Finanzamt einen Verhandlungsspielraum für Aufschlagssätze. Dabei handelt es sich um das legalisierte Abbild des erwähnten Dilemmas des Steuerberaters.
Konkludentes Zusammenflicken unter dem Schutzmantel der Fiskalgesetzgebung
Denn die Bandbreite der Richtsätze ist ein Durchschnittswert geprüfter gastronomischer Betriebe, gruppiert nach sortenreinen Betriebstypen der 1970er Jahre, wie sie seit Jahrzehnten nur noch selten vorkommen. Deren Aktualiserung erfolgt durch die pauschalierte Hinzunahme von erweiterten Umsatztätigkeiten und den sich aus dem Verhältnis der Verkaufspreise zu den Einkaufspreisen ergebenden Handelsspannen. Die fehlende Gewichtung der einzelnen Umsatzfelder zueinander verzerrt das Ergebnis der Steuerschätzung um bis zu mehrere hundert Prozent! Dazu kommt, daß nie je nachvollzogen wurde, ob die Kalkulationen der geprüften Durchschnittsnormalbetriebe überhaupt stimmen.
Gastronomen kalkulieren nicht
Dem Verfasser ist aus seiner über 25jährigen gastroberatenden Berufspraxis kein einziger gastronomischer Betrieb bekannt, der über vollständige speisekartenaktuelle Rezepturen und den korrespondierenden Einkaufspreisen verfügt. Für die meisten Gastronomen ist die Küche ein buchhalterisches böhmisches Dorf, dessen Oberhaupt von der Berufsfachschule der Kalkulationsfaktor 3,5 auf den Lebensweg mitgegeben und zur Bestätigung vom Steuerberater aus den vorgenannten Gründen plausibelgebucht wurde.