Gastro-Planung mit eingebauten Soll-Bruchstellen
Ein Sonntagnachmittag im Café:
Die Bäckereifachverkäuferin öffnet die Kühlvitrine, nimmt eine Tortenplatte heraus, balanciert die 2 bis 3 kg-Torte auf einer Hand und schließt die Kühlvitrine, dreht sich um 90° nach links, geht 1 Meter geradeaus, dreht sich nochmals um 90° nach links, stellt die Tortenplatte ab, beugt sich nach rechts und greift sich das Messer, schneidet das Tortenstück ab, beugt sich nach links und greift sich ein Teller, hebt das Tortenstück darauf, beugt sich wieder nach rechts und steckt das Messer zurück, dreht sich 90° nach rechts, geht 1 Meter geradeaus, dreht sich nochmals um 90° nach rechts, öffnet die Kühlvirtrine während sie die 2 bis 3 kg-Torte auf einer Hand balanciert und stellt die Torte zurück.
Dass an einem Sonntag-Nachmittag 6 Verkäuferinnen hinter der Theke stehen, die kaum Platz zum Umdrehen oder Aneinandervorbeigehen haben, scheint bei der Planung der top modernen Filiale niemand berücksichtigt zu haben, obwohl der beauftragende Filialbäcker seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt tätig ist.
Und er könnte erfolgreicher sein! Denn eine Fehlplanung der Arbeitsplätze und ihrer dazugehörigen Logistik kostet im Produktlebenszyklus einer Filiale mehrere hunderttausend Euro!
Zuviel Arbeit ohne Gegenwert am Beispiel Torten und Kuchen:
Der Arbeitgeber bezahlt die Zeit der Hebungen, Drehungen, Dehnungen und Schritte seiner Mitarbeiter. Der oben beschriebene Vorgang dauerte nur 55 Sekunden, weil glücklicherweise kein Team-Mitglied den Weg kreuzte. An einem optimierten Arbeitsplatz hätten ca. 25 Sekunden ausgereicht. Eine ganze Torte hat 18 Stücke was ca. 9 Minuten zuviel bezahlte Arbeitszeit pro Torte ergibt. In der Filiale wurden schätzungsweise 70 bis 90 Torten und Kuchen am Sonntagnachmittag verkauft bzw. 720 Minuten unnötig bezahlte Arbeitszeit! Legt man nur den Mindestlohn zugrunde (was der Leistung der Mitarbeiterinnnen an diesem Sonntag keineswegs angemessen wäre), was einer Brutto-Arbeitgeberbelastung von ca. 12,00 € pro Stunde entspricht, wurden ca. 144,00 € Arbeitszeit bezahlt, die nicht erforderlich gewesen wäre.
Verlangsamung der Arbeitsgeschwindigkeit:
Die betreffende Mitarbeiterin löst durch ihre Wege bei ihren Kolleginnen deutlich mehr Aufmerksamkeitserfordernisse aus, als nötig. Diese müssen unter konzentrationsraubender Wachsamkeit jeden Schritt vorausdenken, um Zusammenstöße zu meiden. Es stellt sich eine sichtbar geringere Durchschnittsgeschwindigkeit ein, die mit den Brems- und Anfahrvorgängen und roten Ampeln im Straßenverkehr vergleichbar ist. Ca. 10 % der Arbeitszeit betrifft die Reduzierung der Team-Geschwindigkeit. Diese Weg-Zeit-Verschwendung tritt auch wegen arbeitsorganisatorischer Fehlplanungen auf, weil benötigtes Equipment nicht ausreichend oder nur an der falschen Stelle verfügbar ist. Gleiches gilt für die unüberlegte Platzierung von Maschinen und Geräten zum Brot schneiden, Sahne schlagen, Kaffee brühen, Kassieren sowie Regale in falscher Dimension und Mülleimer. Für die Fehlplatzierungen und Falschdimensionierungen dürften ebenfalls ca. 10 % der Arbeitszeit unnötig aufzubringen sein. Dies entspricht bei einer mit 6 Personen besetzten Filiale vom Frühstück- über das Mittags- und Feierabendgeschäft ca. 170,00 € unnötig bezahlter Arbeitszeit.
Arbeitsausfall, Demotivation und Verwaltungsfolgekosten
Schaut man in die Gesichter der freundlichen Mitarbeiterinnen erkennt man deren Reaktionen, wenn sie aufgrund einer raumplanerischen Soll-Bruchstelle ihren Arbeitsflow unterbrechen müssen. Dadurch entstehen neben den Weg-Zeit-Verlusten auch Brüche in der Einzel- und der Teamleistung, weil der ständig auftretende Ärger unqualifizierte Bemerkungen, intuitives Nörgeln oder Schimpfen und gelegentlich kritische Diskussionen mit den Kunden zuläßt. Faktoren, die auch die Krankheitsrate erhöhen und bis zur inneren Kündigung führen. Eine entsprechende Fluktuation mit allen ihren Verwaltungskosten sind die Folge. Wer sich in solchen Teams bewegt hat, kann ziemlich gut einschätzen, dass dies ca. 5 % Krankheitsausfall und weitere 5% der Arbeitseffizienz verursacht. Also nochmals ca. 170,00 € pro Arbeitstag.
Warenschwund und Inventarverlust
Die ausgelöste Hektik und innere Unzufriedenheit lassen die Arbeitsergebnisse sinken. Ein schlecht aufgeschnittenes Tortenstück muß entsorgt werden, heruntergefallene und verschüttete Lebensmittel sind sofort zu entfernen und die verschmutzte Fläche zu reinigen. Zerbrochenes Geschirr und Gläser sind zu entsorgen und wieder zu beschaffen. Der Verlust verkaufsfähiger Ware und der Ersatz von Inventar im Wert von ca. 30,00 € pro Tag sind schnell kumuliert.
Umsatzausfall, Schwund und Retouren
Warteschlangen und Hektik verprellen Kunden. Nachlassende Konzentration auf den Kunden ebenfalls. Diese Zahl ist nicht meßbar.
Summe des planerischen Folgeschadens
Dem letzten Sonnentag an einem herbstlichen Sonntagnachmittag steht die Lage in der gut belebten Fußgängerzone an den Werktagen gleich:
144 € + 170 € + 170 € + 30 € = 514 € pro Tag
514 € * 30 Tage = 15.420 € pro Monat
185 T€ pro Jahr
925 T€ bei 5 Filialen pro Jahr!
Nachtrag:
Bäckereifachverkäuferinnen lernen, die leerer werdenden Brotregale mehrfach am Tag „umzuräumen“, um den Kunden Warendruck und Vielfältigkeit vorzugaukeln. Die dafür erforderliche völlig unproduktive Arbeitszeit nimmt jeder investierende Bäcker in Kauf, weil der Objektplaner keine Antwort auf die sich im Tagesverlauf leerenden Regale hat.