Geschäftsmodell: Convenience
“Ich hab´da mal was vorbereitet”, mit solchen und ähnlichen Sprüchen belustigen manche Fernsehköche das Publikum. Dahinter verbirgt sich die für die Kochzunft als Quadratur des Kreises empfundene Unfähigkeit,
- in kurzer Zeit
- trotz Fachpersonalmangel
- mit frischen Rohstoffen
- schmackhaftes Essen
- ohne Zusatzstoffe
- effizient und bezahlbar
auf den Tisch zu bringen. Oder anders ausgedrückt: Tüte aufreissen, Eimer öffnen, Packung entfernen, mit Wasser anrühren und vorgekochtes Erhitzen – wie der Maurer beim Zementmischen.
Für die Schelte der Köche in Richtung der Systemgastronomie kann nur gelten: “Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen auf andere werfen”.
In ihrer Ausgabe 4/2017 veröffentlichte die Fachzeitschrift “24-Stunden Gastlichkeit” die Auswertung ihrer nationalen Befragung aus den Bereichen
- Gemeinschaftsgastronomie (238 Antworten)
- Schulverpflegung (54 Antworten)
- Hotellerie (67 Antworten)
- Gastronomie (127 Antworten)
- Fleischer-Handwerk mit Außer-Haus-Geschäft (114 Antworten)
(Hinweis: gerundete Angaben aus Prozentzahlen).
Hier einige Auszüge aus der Befragung:
- 15,9 % würden mehr Convenience einsetzen, wenn es mehr in die Ausbildung der Köche integriert werden würde
- 88,9% veredeln ein verwendetes Convenience-Produkt oder setzen es unverändert ein
- 89,5% werden weiterhin Convenience-Produkte einsetzen oder dessen Einsatz erhöhen
- 33,3% behaupten, dass der Einsatz von Convenience-Produkten den Gästen egal ist
- 56,7% verschweigen den Einsatz von Convenience-Produkten, weil Sie es nicht so schlimm finden wie ihre Gäste
- 54,8 % möchten, dass ihre Köche mehr über Convenience lernen bzw. wünschen sich Kooperationen mit der Industrie.
Und die Industrie redet dem hilflosen Koch ein:
- Immer mehr Kunden (Köche) erkennen, dass der Einsatz von vorgefertigten Menükomponenten nicht bedeutet, dass man (der Koch) sein Handwerk nicht beherrscht. | Peter Sander jr., Sander Holding
- Er (der Gast) interessiert sich nicht dafür, wer sein Schnitzel paniert hat. | Peter Strunz, FVZ Convenience
- Als Gastronom würde ich auch lieber die Illusion des Selbstgemachten verkaufen, als die Gäste aufzuklären. | Guido Küh, Dr. Oetker Professional
- In den Punkten Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit und Lebensmittelsicherheit sind Convenience-Produkte oft der komplett individuellen Herstellung weit überlegen. | Rupert Kammerich, OSI Food
- Erfahrungsgemäß spielt der Vorbereitungsgrad in der Schulverpflegung und in der Patientenverpflegung in Krankenhäusern die größte Rolle. Produkte werden in den “kaum” vorhandenen Küchen nur regeneriert. | Thomas Gierlinger, Gierlinger Holding
Alle Aussagen haben eines gemeinsam: es wird um den heißen Brei herumgeredet. Denn indem man anstatt über
- panierte Formschnitzel aus Fleischresten, die vom Gast gutgläubig als Premium-Schnitzel wahrgenommen werden
- vorgekochte Fertig-Rouladen, die aufgewärmt werden
- tiefgefrorenes Gulasch und Geschnetzeltes, dessen Fleischanteile bei höchstens 50 Gramm pro Portion liegen
spricht, führt man Beispiele in die Diskussion ein, die vom Verbraucher grundsätzlich als akzeptierte Convenience-Grade wie geschälte und vorgeschnittene Kartoffeln oder tiefgefrorenes Gemüse wahrgenommen werden.
Für richtig dumm wird der Koch jedoch verkauft, wenn man seiner (betriebsinternen) Logik zum Einsatz von Convenience-Produkten folgt
- zu wenig Zeit
- zu viel Schwund
- kein Fachpersonal
- geringes Budget
- geringer Endverbraucherpreis
und dies mit seinen Argumenten zur (betriebsexternen) Rechtfertigung abgleicht, die jedwede Argumentation hinsichtlich zeitlicher und monetärer Engpässe ad absurdum führt
- das Koch-Handwerk ist gegeben durch Veredelung der Convenience-Produkte
- Kreativität bleibt erhalten durch Ergänzung mit regionalen Zutaten
- Individualität wird erreicht durch frische Kräuter.
Kochen ist demnach das intelligente und teure Aufpäppeln von Convenience-Produkten, weil der Koch nicht gelernt hat, seinen Beruf systematisiert umzusetzen. Der Gast soll aber für seine deutlich andere Erwartungshaltung bezahlen!
Der Systemkoch könnte es richten