Stellungnahme zum IHK-Titelthema „Das zahlt sich aus“
Einigen Inhalten des Titelthemas „Duale Ausbildung – Das zahlt sich aus“ auf Seite 21/22 der Ausgabe November 2018 im Wirtschaftsmagazin WNA der IHK Reutlingen ist wie folgt zu widersprechen:
Behauptung WNA:
Wegen der rückläufigen Zahl der Schulabgänger und aufgrund der zunehmenden Zahl von Abiturienten, die sich für ein Studium entscheiden, gehen immer mehr Betriebe bei der Besetzung ihrer Ausbildungstellen leer aus.
Wichtigste Informationen verniedlicht am Ende des Artikels:
Es stehen immer weniger ausbildungsfähige Schulabgänger (darunter auch Abiturienten) zur Verfügung, weil immer mehr potenzielle Ausbildungsbewerber nicht ausreichend auf den dualen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vorbereitet bzw. seitens fehlender relevanter Bildungsinhalte der Schulen nicht für eine duale Ausbildung als geeignet einzustufen sind.
Behauptung WNA:
Manchmal sollten Firmen jedoch noch offensiver nach außen hin kommunizieren, was sie ihren Azubis bieten und welche Möglichkeiten ihnen eine Ausbildung eröfnet.
Zu kurz argumentiert:
Je mehr Unternehmen sich erfolgreich mit attraktiven Ausbildungsplätzen am Ausbildungsmarkt platzieren, desto größer wird der Wettbewerb unter den Firmen. Da nicht absehbar ist, dass sich die fehlende Zahl ausbildungsfähiger junger Menschen erhöhen wird, würden solche Werbetrommeln die Situation verschärfen und nur noch solchen Unternehmen Azubis zukommen lassen, die am lautesten mit viel Geld und Manpower die vermeintlich besten Azubis am Markt abgreifen.
Behauptung WNA:
Viele Firmen haben dabei längst erkannt, dass eine gute Ausbildung ein wirksames Mittel gegen den Fachkräftemangel ist.
Selbstredend:
Wer nur solche Menschen als Fachkräfte definiert, die hochschul- oder dual ausgebildet sind, muß sich die Frage gefallen lassen, weshalb in der Ferienzeit tausende von fachkräfteersetzenden und kurzfristig angelernten Ferienjobbern in der Lage sind, in Sindelfingen ohne Fachausbildung Autos zu bauen.
Behauptung WNA:
Wer seinen Azubis schon während der Ausbildung Zukunftsperspektiven im Unternehmen aufzeigt, kann „junge Fachkräfte“ dauerhaft an sich binden.
Das ist nicht bewiesen:
Vor 20 Jahren war es bei den damals noch deutlich jüngeren und meist noch unter der Obhut der Eltern stehenden Ausbildungsabgängern üblich, die Frage nach der Übernahme am Ende der Ausbildungszeit zu stellen. Heute steht die Welt offen und die Unternehmen profitieren vom ganzheitlichen Know-How, das sich die Menschen an anderen Arbeitsplätzen angeeignet haben. Richtig ist vielmehr, dass das positive Zurückdenken an den Ausbildungsbetrieb die Chance erhöht, die seinerzeit selbst ausgebildeten Menschen später wieder als Fach- und Führungskräfte mit all ihren ausserhalb des Ausbildungsbetriebs gewonnenen Erfahrungen für sich gewinnen zu können. Das sind dann aber keine „jungen Fachkräfte“ sondern schlagkräftige und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Unternehmen nach vorne bringen – egal wie alt sie sind.
Ablenkung von der Verantwortung der IHK:
Die „nicht immer vorhandene Ausbildungsreife“ (dies sollte endlich mit Zahlen untermauert werden, um die Realität nicht zu verniedlichen) ist eine Herausforderung, die alle Akteure in der Bildung und insbesondere die Politik in die Pflicht nehme.
Kante zeigen:
Die IHKs sollten ihren diesbezüglichen Schmusekurs mit Verwaltung und Politik aufgeben. Die sich wahlperiodisch ändernden bundeslandspezifischen Bildungsinhalte, die in der Natur der Sache liegend nicht in die Lehrerausbildung einfließen können, zeigt die schiere Machtbesessenheit der Politiker. Die IHK könnte ihre mittelständischen Mitgliedsunternehmen aktiv dabei unterstützen, die Lerninhalte der Schulen deutschlandweit zu vereinheitlichen, indem sich die Politik darauf beschränkt, die Grundregeln einer Basisausbildung für ihre Bürger aufzustellen und die Lerninhalte endlich auf eine wissenschaftlich seriöse und politisch unabhängige sowie anspruchsvolle und lebensnahe Ebene angehoben werden.