Verhalten der Automobilindustrie – Wegschauen der Politiker
Eine Stellungnahme von Dr. Peter Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos-Institut, Tübingen, erschienen auf Xing am 1.2.2018
- Die Versuche an Affen und Menschen haben berechtigte Kritik hervorgerufen
- Wir müssen verhindern, dass es nur Empörung gibt, aber keine Konsequenzen
- Sonst droht die Gefahr, dass auch notwendige Tests in Verruf geraten
Die Aufregung um die Versuchsreihen an Affen und Menschen, die im Auftrag von Automobilkonzernen durchgeführt wurden, ist groß – und verständlich, die Kritik berechtigt. Aber wie verhindern wir nun, dass nicht einfach nur eine neue Empörungswelle ohne echte Wirkung durch das Land geht?
Als Wirtschaftsethiker habe ich dazu ebenso wie meine Kollegen im Weltethos-Institut eine klare Meinung: Das Hauptproblem bei den genannten Tests ist, dass es sich hier um Pseudowissenschaft handelt, die die Grenze zwischen Lobbyismus und Forschung verwischt und dafür sorgt, dass auch sinnvolle und notwendige Versuche an Menschen und Tieren in Misskredit kommen. Um den Fall aufzuarbeiten, müssen wir deshalb mehrere Aspekte betrachten – und in Zukunft nicht die gleichen Fehler wiederholen.
Die Grenze zwischen Forschung und PR-Arbeit wurde verwischt
Es kann und darf nicht sein, dass die Grenze zwischen wissenschaftlicher Forschung und PR-Arbeit durch privatwirtschaftliche Finanzierung in solcher Weise verwischt wird. Bisher ist nicht klar geworden, warum Tests in diesem Kontext überhaupt notwendig waren – es sei denn, es ging nur darum, die Wirkung von Autoabgasen herunterzuspielen. Forschung für PR zu bestellen, das beschädigt die Wahrhaftigkeit von Wissenschaft.
Überhaupt fehlt es an Ehrlichkeit und Transparenz sowie Bereitschaft, an den entscheidenden Stellen hinzuschauen. Die Berichte – und zwar über den umfangreichen Zeitraum von 2012 bis 2015 – lagen vor und hätten eingesehen werden können. Warum wurden zum Beispiel im Bundestag zu spät die Warnglocken gehört?
Institutionelle Konsequenzen wurden keine gezogen. Wir haben viele „betroffene“ Stellungnahmen gehört und Bauernopfer gesehen, aber mir ist nicht bekannt, dass eine einzige Firma eine Neuordnung der entsprechenden Forschungs-, oder besser PR-Politik im Konzern beziehungsweise der institutionellen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern planen würde. So verspielt die Automobilindustrie wieder einmal Vertrauen.
Auch die Forschungs- und Medizinethik haben Schaden genommen
Das alles befördert noch die Haltung in weiteren Teilen der Öffentlichkeit, dass Untersuchungen an Tieren oder gar Menschen etwas grundsätzlich Böses und Ablehnenswertes sind. So geraten auch sinnvolle und notwendige Testreihen – etwa in der Medikamentenforschung und -freigabe – in ein Zwielicht.
Die Abgastests stellen in ihrer unappetitlichen Verschränkung von Auftragsforschung, Intransparenz und Missmanagement ein Problem der Ethik und Moral in der Wirtschaft dar. Aber auch die Forschungs- und Medizinethik haben in hohem Maße Schaden genommen. Um dem Fall in allen Aspekten gerecht zu werden, müssten also auch andere Einschätzungen hinzugenommen werden. Wer dazu mehr wissen möchte, der kann sich mit der Arbeit der Kollegen vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften beschäftigen beziehungsweise für den Bereich der Medizinethik mit den Forschungen am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin.
Als Wirtschafts- und Unternehmensethiker kann ich nur sagen: Hoffentlich wird nach den Aufregungsstürmen genügend ruhige Entschiedenheit übrig bleiben, in den betroffenen Konzernen transparente und funktionierende Strukturen zu schaffen, um menschen- wie tierfeindliche Pseudowissenschaft in Zukunft zu verhindern. Wieder zeigt sich, dass wir neue, nämlich humanistische Formen des Managements benötigen.