Wenn das Finanzamt schätzt . . .
bleiben die Einschränkungen der Richtsatzsammlung meist unbeachtet.
Grundsätzlich gilt:
Diskutieren Sie als Gastronom mit dem Finanzamt besser nicht über die Grundsatzfrage, ob eine Schätzung zulässig ist.
Ich habe seit der Gründung meines damals noch Gaststättenbetriebsberatung genannten Unternehmens im Jahr 1990 nicht einen einzigen Betrieb erlebt, bei dem die Buchhaltung allen Ansprüchen der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung entsprach. Ein nicht mehr gut lesbarer Z-Bon in Verbindung mit einer unklaren Privatentnahme oder einer nicht mehr nachvollziehbaren Barauszahlung an einen Mitarbeiter – und die Schätzung kann ihren Lauf nehmen . . .
Was bei vielen Schätzungen vergessen wird, ist die Tatsache, dass die Anwendung der Richtwerte mehreren Bedingungen unterliegt. Sind diese speziellen Voraussetzungen beim jeweiligen Betrieb erfüllt, was sehr selten der Fall ist, können die Richtwerte zugrunde gelegt und im Rahmen der unteren und oberen Kalkulationsaufschlagsätze “verhandelt” werden.
Erfahrungsgemäß kann jedoch mit fundiertem gastro-betriebswirtschaftlichen Fachwissen schnell nachgewiesen werden, dass im betreffenden Einzelfall die speziellen Voraussetzungen zur Anwendung der Richtwerte nicht gegeben ist. In den meisten Fällen sind gemäß den Ausführungen auf den ersten Seiten der Richtsatzsammlung individuelle und nachvollziehbare Korrekturen der pauschal abgeleiteten Beträge und Ergebnisse vorzunehmen, weil die fälschlicherweise aus der Tabelle abgelesenen Richtsatzwerte demnach eher grobe Annäherungswerte oder vorläufige Zwischenergebnisse darstellen.
Bandbreite der Kalkulationsaufschläge
Das Finanzamt nutzt bei der Schätzung selten die ganze Bandbreite der Kalkulationsaufschlagssätze. Das hat einen einfachen Grund: Jeder Betrieb ist individuell und seine spezifischen Kosten sind aufgrund des standortbedingten Betreiberkonzepts mit keinem anderen Betrieb vergleichbar.
Die Bandbreite der Kalkulationsaufschläge stellt dagegen die Durchschnittswerte einer gewissen Auswahl an geprüften Betrieben aus der Vergangenheit dar. Welche Auswahl zugrunde liegt, bleibt dem Anwender verborgen. Im Übrigen dürfte die Mehrzahl der geprüften Betriebe allein schon deshalb nicht dem “ehrlichen und damit kaufmännisch korrekten Betriebsdurchschnitt” entsprechen, weil vorwiegend solche Betriebe geprüft werden, denen eine Steuerhinterziehung nachgewiesen werden soll und die sich ggfs. nach einer durchgeführten Schätzung gar nicht gegen Steuerbescheide gewehrt haben. Demzufolge werden überwiegend Daten von kriminellen Unternehmern als obere und untere Bandbreite zugrunde gelegt. Der Logik der nicht zulässigen Vorverurteilung folgend, sind also Daten steuerehrlicher Gastronomen heranzuziehen und nicht der Durchschnitt einer unbekannten Auswahl von Steuersündern.
Der Beitrag wird derzeit auf Basis der Erkenntnisse diverser laufender Gerichtsverfahren weitergeschrieben.