Wer kann sich „Abschmecken“ noch leisten?
Die Kreativität des Kochberufs ist wie der schöne Prinz auf einem weißen Pferd. Beides klingt märchenhaft.
Im heutigen Ausser-Haus-Verzehrs-Wettbewerb, der vor allem durch den quasi unkontrollierten Zugang zur Selbstständigkeit möglich gemacht wird, kann es sich kein Koch mehr leisten, seine Zeit und seine Rohstoffe mit Kreativität zu vergeuden. Für das Geschäft um
- Gäste-Frequenz
- Servier-Schnelligkeit
- bezahlbare Preise
haben sich Betriebstypen entwickelt, mit denen der heutige Berufsschulunterricht eines Kochs kaum etwas gemeinsam hat. Oder anders ausgedrückt:
Was der Koch lernt, hilft ihm in der betriebswirtschaftlichen Realität nicht weiter!
Denn Rohstoffe und Personal machen meist mehr als 70% der Gesamtkosten aus. Betreiber von asiatischen und vorderorientalischen Imbissen haben das erkannt: sie beschäftigen „Familienmitglieder“, denen sie keinen Mindestlohn bezahlen müssen und verkaufen vor allem viel billige Sättigungsbeilagen in Kombination mit wenig Gemüse und Fleisch und schier unendlichen Mengen des Gehirngiftes Glutamat (asiatische Frischeküche) und dem Zellfunktionsstörer Phosphat (Dönerspieße), um dem Konsumenten ein „schmeckt gut und ist wie Essen Erlebnis“ zu suggerieren. Das ganze noch für 7 % Mehrwertsteuer, falls überhaupt boniert wird! Die Lebensmittelüberwachungen kontrollieren dann lieber medienwirksam die Hygiene als die Zusatzstoffauszeichnungen und die Steuerfahnder vom Zoll merken überhaupt nicht, dass der Ausweis eines kontrollierten Mitarbeiters von einer anderen Person stammt, die vielleicht gar nicht in Deutschland lebt.
Wenn der gut ausgebildete und identifizierbare Gastronom nun ausreichend Küchen-Fachpersonal findet, muß er personalkosten-kalkulatorisch und umsatzsteuer-technisch seine Preise weit über den oben beschriebenen Betriebstypen ansiedeln. Das hat zur Folge, dass für ihn vom Gesamtkuchen des Ausser-Haus-Verzehrs-Potenzials nur eine sehr kleine Scheibe zur Verfügung steht. Um diese muß er sich mit seinen Kollegen des gleichen Betriebstyps schlagen, während sich die findigen Imbißbetreiber den großen Kuchen teilen.
Und wie soll er mit den 40 Gramm Hähnchenfleisch in einer Nudelbox konkurrieren? Mit einem Steak in dieser Grammatur käme er ohne Werbebudget mit Farbfoto deutschlandweit auf die erste Seite der BILD! Also versucht er sein Glück mit Fertigbrühen, Pulversoßen und vorgekochten Kohlrouladen. Sein Kochkollege um die Ecke regeneriert aber die gleiche Kohlroulade aus dem gleichen Sonderangebot des gleichen Großhändlers.
Nun ist der koch-kreative Nerv plötzlich wieder da – minutenlang tüftelt er an seinem kreativen Wettbewerbsvorteil mit Hilfe seiner zu teuren Warenbestände
- aus Gewürz- und Kräutermischungen sowie
- Aroma- und sonstigen Extrakten, die speziell für die chemische Lebensmittelindustrie nach §9 Lebensmittelzusatzstoffverordnung auf Speisekarten als deklarationsfreie Zusatzstoffe eingesetzt werden dürfen.
Wareneinsatz und Zeit zu optimieren, um die Gäste der mit anderen Waffen kämpfenden Wettbewerber in sein Lokal zu bringen, gelingt weder mit Fachpersonal im herkömmlichen Sinne und noch mit Convenience-Produkten!
Moderne Koch-Kreativität darf weder zeitraubend noch rohstoffaufwendig sein. Sie muß
- die ertragbringenden Faktoren der Systemgastronomie
- die qualitätssteigernden Rohstoffe der Frisch-Koch-Küche und
- die Lean-Poduction-Prinzipien der Industrie
intelligent verbinden. Und das gelingt nur dem Koch, der eines akzeptiert:
Wiegen anstatt Abschmecken!
Dafür bedarf es
- kompromissloser Rohstoffqualität
- exakter Rezepte, an die sich alle in der Küche halten
- minutengenauer Organisation
- Empathie für den Gast
- der Beherrschung des Dreisatzes.
Hinderlich ist heutzutage Kreativität, die von diesen unternehmerischen Erforderlichkeiten ablenkt.