Wertschätzung der Rohstoffe
Oder: Was macht das Essen teuer?
In Deutschland haben wir nicht gelernt, die unterschiedlichen Speisen-Qualitäten in Bezug auf die
- Beschaffenheit der eingesetzten Rohstoffe
und - deren nährstofferhaltende Verarbeitung
beurteilen zu können.
Wir füttern unsere Kinder in der Schulmensa mit vermeintlich frisch gekochten „Menüs“, die aus vielerlei industriellen und mehrfach durchgekochten Fertigprodukten und chemischen Geschmackspulvern aus Plastikeimern entstehen. Auch bei BIO sind nährstoff- und geschmacksarme Konservensalate, stundenlang warmgehaltenes Gemüse und Soßen mit Zusatzstoffen aus der Chemiefabrik erlaubt.
Modifizierte Stärken, künstliche Hefen und raffinierte Salze werden selbst von den auf die Volksgesundheit achtenden Verbänden in Kauf genommen und sogar entgegen aller Notwendigkeiten aktiv mit „Gütekriterien“ propagiert (z. B. chemisch raffiniertes Jod-Salz).
Wo also lernt ein in Deutschland aufgewachsener Mensch, wie Essen wirklich schmeckt, das aus natürlichen Rohstoffen frisch zubereitet wird?
Ausserhalb der Päckchensoßen seines Elternhauses und der Schul-, Uni- und Betriebsmensen macht ihm die Gesellschaft klar, dass er die Wertigkeit des Essens am Preis auf der Speisekarte guter Restaurants erschmecken kann. Leider gibt es da gar keine großen erlebbaren Unterschiede, weil durch den Wettbewerbsdruck fast alle Gastronomen in die Zauberkisten der Lebensmittelindustrie (z.B. gekörnte Brühen, Fertigsoßen zu Braten, „Koch-Sahne für Profis“) greifen. Damit dies nicht allzu sehr auffällt, sind von den fast 2.000 zugelassenen Zusatzstoffen nur ca. 200 auf den deutschen Speisekarten deklarationspflichtig. Und auch deren Kennzeichnung kann der Gastronom unterlassen, wenn er einige „technologische Spielregeln“ beachtet (eigens dafür geschaffener Ausnahmeparagraf der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung).
So findet denn der lernwillige junge Bürger „saubere“ Speisekarten in den Restaurants, deren Rezepte auch im Chemieunterricht hätten entstanden sein können – keine Chance zu erfahren, wie hochwertige Rohstoffe frisch zubereitet riechen und schmecken können.
Hohe Preise auf der Speisekarte sind meistens notwendig, um eine Show um das eher unterdurchschnittliche Essen zu finanzieren. Selbsternannte Marketing-Gurus flüstern der Regional- und Fachpresse die neuesten Trends und Erwartungshaltung der Gäste ins Ohr. Analog der wiederkehrenden Mode-Trends gebärt die Branche ständig neue Gastro-Hyps, um von ihrer Unfähigkeit des wirtschaftlichen, nachhaltigen und vor allem gesunden Kochens abzulenken. Die enormen Kosten dieser Gastro-Inszenierungen fließen in die Preise der Speisen ein – da bleibt kein Spielraum mehr für die Beschaffung hochwertiger und natürlicher Rohstoffe:
- erlebnisgastronomische Events
- lichtatmosphärische Spielereien
- effekthaschende Designer-Einrichtungen
- exorbitante Mieten in Spitzenlagen
- verspieltes Anrichten und Bedienen
Anhand der Preise auf der Speisekarte ist für den aufgeklärten Bürger einfach nachvollziehbar, wieviel Geld der Gastgeber in das gesamte Gastro-Erlebnis investiert und wieviel dann noch für die Beschaffenheit und die schonende Zubereitung seiner eingekauften Rohstoffe übrig bleiben kann.
Alternativ kann der Gastronom etwas Geld für Marketing in die Hand nehmen, um dem Gast glaubhaft zu versichern, dass er die Speisen ohne Chemie und Fertigprodukte auf einem für sein Betriebskonzept höchstem Niveau zubereitet.